von Werner Ruf – Vorlage für Workshop beim Friedensratschlag am 9.12.2023

Wissenschaft ist mehr als berufliche Qualifikation, mehr als Forschung für gesellschaftlichen Fortschritt. Forschung und Lehre = Sozialisation.

Findet immer im Rahmen einer konkreten Gesellschaft statt. Damit grundsätzliche ethische Frage: Was und Für Wen forscht Wissenschaft, die damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft aber auch des Inhalts unserer Köpfe, unserer Vorstellungen von Sinn, Zweck und Struktur gesellschaftlicher Ordnung hat.

Damit haben Wissenschaft und Gesellschaft eine tiefgreifende ethische Aufgabe: Sie sind verantwortlich für die Gesellschaft von morgen: Diese Verantwortung wird politisch bewusst beispielsweise wenn den Gesellschaften – meist viel zu spät – bewusst wird, dass Wissenschaft nicht nur Fortschritt produziert, sondern auch die Mittel zur Vernichtung der Gattung zur Folge haben kann, wie sich dies aus der Nutzung der Kernkraft oder der Veränderung des Klimas ergibt: Das Überleben der Gattung wird zur Sinnfrage der Wissenschaft.

Dieser Sinnfrage hat sich bisher nur eine einzige Wissenschaft gestellt: die Medizin – und das schon vor fast 3.000 Jahren – Eid des Hippokrates: Gelöbnis bis heute.

Mehrfach angepasst, Ärztekammer Nordrhein, Gelöbnis:

Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.

Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.

Dass diese grundsätzliche ethische Frage alle wissenschaftlichen Disziplinen betrifft, vor allem aber das Gebiet der Rüstung tangiert hat kein geringer zentral angesprochen als der frühere Oberkommandierende der US-Streitkräfte und spätere Präsident der USA Dwight D. Eisenhower, der in seiner Abschiedsrede vom Präsidentenamt 1961 vor den Gefahren warnte, die aus der Vereinnahmung der Wissenschaft durch Kapital- und Rüstungsinteressen, eines „militärisch-industriellen Komplexes“ resultieren, der „unsere Freiheiten oder demokratische Prozesse gefährdet.“ Diese Gefahren sah er unmittelbar für die Wissenschaft: : „Die freie Universität, einst Quelle von Ideen und wissenschaftlicher Entdeckung, hat eine Revolution erfahren, … aufgrund der ungeheuren Kosten ersetzt ein Regierungsvertrag die intellektuelle Neugier.“ Die Gefahr bestehe, dass die Politik selbst zur „Gefangenen einer wissenschaftlich-technischen Elite“ werden könne.

Damit wird die Interessenfrage zur Grundfrage der Freiheit von Wissenschaft und Forschung:

  1. Grundsätzlicher Wandel von Forschung (und Lehre) in Neoliberalismus
  2. angewandte“ Forschung vs. Grundlagenforschung: von vornherein Eliminierung von Fragen die nicht im Verwertungsinteresse
  3. Im Neoliberalismus
    • Drittmittelforschung = „frei“?
    • Auftragsforschung
    • An-Institute
    • Forschungsförderung und „Freiheit“ – und Karriere, und Sozialisation
  4. Meinungsfreiheit und Freiheit der Wissenschaft
    • Verengung des Forschungsfeldes
    • Verengung der Wissenschaft
    • Zurichtung auf Markt und Ausblendung von Kritik und Ethik: Köpfe, Hegemonie.
    • Wo bleibt Autonomie im vorab eingegrenztem Forschungsfeld?
    • Wo bleibt Verantwortung der Wissenschaft über ihr Produkt?
    • Wo bleibt demokratische Verantwortung über wissenschaftliche Produktion?

Die viel beschworene Freiheit der Wissenschaft wird an der Garderobe der Interessen von Kapital und Staat abgegeben.

Daher:

  • Zivilklausel nicht isolierter Kampf an Unis, sondern gesellschaftlicher Kampf für eine bessere, menschenwürdige, friedliche Welt: Kampf aller,
  • Kampf sämtlicher Disziplinen, vor allem der Friedensbewegung;
  • Kampf um wirkliche Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung
  • Synergie und Hegemonie / nur gemeinsam
  • Kampf um Erfolge notwendig
  • Kampf um Zivilklausel nicht nur Kampf gegen (harte) Rüstungsforschung, sondern Kampf für Freiheit der Wissenschaft, der Meinungsfreiheit, von Demokratie und Selbstbestimmung in freien Gesellschaften, deren Werte nicht den Verwertungsinteressen des Kapitals unterworfen sind.

 

Nachtrag: Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Hessischen Landtag vom 15.12.2023 beinhaltet die Abschaffung der an Hochschulen vorhandenen Zivilklauseln, wogegen sich hessenweit Widerstand regt.

„Hessen ist ein Land freier Wissenschaft. Wir stehen für eine offene Forschungskultur ohne Denkverbote. Wir werden den Schutz der Wissenschaftsfreiheit wo immer erforderlich gewährleisten. Auch die aktuelle geopolitische Entwicklung verlangt nach einem neuen Nachdenken über Fragen unserer Sicherheit und der entsprechenden Infrastruktur. Wir werden daher die Hochschulen dabei unterstützen, die Friedens- und Konfliktforschung, Sicherheitsforschung und sicherheitsbezogene Forschungsansätze weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch eine Unterstützung der Hochschulleitungen bei der Überprüfung von Zivilklauseln.“


siehe dazu auch:

Hände weg von der Zivilklausel!