Aktueller Beitrag: Interview in der Zeitung gegen den Krieg (Herbst 2024)
Die EU und Afrika: Eine ungleiche Beziehung
Interview mit Boniface Mabanza
ZgK: In vielen afrikanischen Ländern gibt es derzeit Umbrüche, insbesondere was das Verhältnis zur EU bzw. EU-Staaten betrifft. Insbesondere die sogenannten Freihandelsabkommen, (EPA: Economic Partnership Agreement) bereits vor Jahren abgeschlossen, sind dabei in der Kritik. Wie stellt sich das aus Sicht der ehemaligen europäischen Kolonien dar? Ein klassisches Beispiel ist wohl der häufig kritisierte Export von billigem Geflügelfleisch nach Westafrika.
Die EU-Kommission bediente das Narrativ, die EPAs seien ein Instrument der Entwicklung. Im Vergleich zwischen Ländern, die die EPAs unterzeichnet haben, und solchen, die nicht Teil der Abkommen sind, kann man nicht sagen, dass die mit Verträgen besser dastehen. Mosambik und Sambia haben einen etwa ähnlichen Status, doch betreibt Mosambik nach Unterzeichnung der EPAs immer noch nicht mehr Handel als Sambia, das kein Abkommen hat. Unsere Beobachtungen sind, dass die meisten Länder nicht die Produktionskapazitäten oder Instrumente haben, um von diesen Abkommen wirklich Gebrauch zu machen. Die alten Handelshemmnisse, die dazu führten, dass diese Länder wenig in die EU exportieren konnten, bleiben bestehen. Lediglich spezielle Exportmärkte können bedient werden, wie in Südafrika, wo von weiß dominierten Farmen Früchte, Ethanol oder Wein für den europäischen Markt produziert werden.
ZgK: Die deutsche Politik bemüht sich um sogenannten Energiepartnerschaften vor allem mit afrikanischen Ländern. Importe von nicht-fossilen Energieträgern wie Wasserstoff sind fest eingeplant, um die deutsche Wirtschaft „klimaneutral“ umzubauen. Dazu sollen z.B. in Namibia Produktions-Infrastrukturen mit Wind- und Solarparks geschaffen werden, um grünen Wasserstoff für den Export zu schaffen. Steht dahinter eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“, wie es Wirtschaftsminister Habeck formulierte?
Angesichts der Energiearmut in vielen afrikanischen Ländern ist es geradezu pervers, dass europäische Unternehmen in ein Land wie Namibia gehen und dort Ressourcen verbrauchen, um Energie für den Export zu produzieren. Solche Projekte sollten zuerst den Energiebedarf in Afrika decken. Es wäre auch an der Zeit, Wertschöpfungsketten von Europa nach Afrika zu verlagern. Das heißt, es wird nicht Energie für die EU produziert, sondern Energie in Afrika für Afrika – und die Technologie und Infrastruktur für die Verarbeitung weiterer Rohstoffe wird in Afrika gefördert. Es wäre doch logisch, die Produktion dorthin zu verlagern, wo die Rohstoffe und Energiequellen sind – anstatt grüner Wasserstoff in einem sehr komplizierten Verfahren in Derivate umzuwandeln, um ihn in die EU zu transportieren und hier wieder in grünen Wasserstoff zurück zu wandeln.
ZgK: Ein Dauerthema, obwohl in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen, ist der Rohstoff Coltan, gewonnen vor allem in der Demokratischen Republik Kongo im Bergbau. Wie hängt das mit der bereits seit Jahrzehnten vorhandenen Kriegssituation im Osten des Landes zusammen?
Paul Kagame, der Präsident Rwandas, instrumentalisiert im Ostkongo so genannte „Rwandophonen“, um Territorien und wertvolle Ressourcen wie Coltan und Gold zu kontrollieren. Die von ihm bewaffneten und kontrollierten Gruppen beherrschen den Zugang zu und die erste Stufe des Handels mit wertvollen mineralischen Ressourcen, die letztendlich Einzug in unsere elektronischen Unterhaltungsgeräte finden.
ZgK: Der innenpolitische Diskurs in Deutschland wird seit Februar 2022 sehr stark von dem Ukraine-Krieg bestimmt. Welche Wahrnehmung hat man davon in afrikanischen Ländern, angesichts von Kriegen in eigenen Ländern, die in Deutschland kaum wahrgenommen werden?
Ich selbst habe in letzter Zeit viele Anfragen erhalten, in öffentlichen Veranstaltungen den Russland-Ukraine-Krieg und jüngst den Israel-Palästina-Krieg aus afrikanischer oder noch weiter aus der Perspektive des globalen Südens zu analysieren.
Während in Deutschland der Ukraine-Krieg als Störung einer bis dahin vermeintlichen Normalität wahrgenommen wird, ringen vor allem afrikanische Länder um eine Normalität, die sich nicht nur gegen die Allgegenwart von Kriegen und die damit unmittelbar verbundenen Versorgungskrisen richtet. Dass solche Kriege wie im Ostkongo hier kaum wahrgenommen werden, zeigt die Doppelstandards, mit denen wir gleiche Wirklichkeiten messen.
Die unfaire Handelspolitik ist ein Beispiel der langwierigen Ungerechtigkeiten, um zu verstehen, warum viele Länder Afrikas und des globalen Südens die Haltung der EU und der USA im Russland-Ukraine-Konflikt nicht teilen, geschweige denn unterstützen.
Meine Botschaft lautet: Zur Heilung der internationalen Beziehungen gehört mehr als nur das Schweigen der Waffen in den vermeintlich akuten Konfliktherden, sondern auch die Auseinandersetzung mit Kriegen, die mit zivilen Mitteln geführt werden.
Dr. Boniface Mabanza ist Philosoph, Literaturwissenschaftler und Theologe. Seit 16 Jahren ist er Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) bei der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg. Er ist in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, geboren und aufgewachsen.
(Interviewfragen: Karl-Heinz Peil