Afghanistan zwei Jahre nach Abzug der NATO
Friedensbewegung fordert umfassende Hilfen für die Bevölkerung und sofortiges Ende der Wirtschaftssanktionen und des Einfrierens afghanischer Gelder
Eine Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag
Vor zwei Jahren mussten sich die USA und ihre Verbündeten nach zwanzig Jahren Krieg geschlagen geben und Afghanistan verlassen. Am 26. August 2021 beendete auch die Bundeswehr mit der letzten Evakuierungsoperation ihren Einsatz am Hindukusch. Die Bilanz dieses von den USA völkerrechtswidrig begonnenen Krieges ist verheerend.
Für die Afghaninnen und Afghanen ist er noch immer nicht zu Ende, warnt der Bundesausschuss Friedensratschlag. Die Aussetzung bisheriger Zahlungen und die Finanz- und Handelsblockaden, die mit der Machtübernahme der Taliban nun faktisch das ganze Land treffen, hätten sie noch weiter in die Katastrophe geschleudert. Die Gelder aus dem Ausland, mit denen bis dahin drei Viertel der öffentlichen Ausgaben finanziert worden waren, versiegten über Nacht, und indem die USA und die EU afghanische Reserven in Höhe von über neun Mrd. US-Dollar einfroren, verschärften sie die Notlage zusätzlich.
Als besonders skandalös bewerten die Mitglieder des bundesweiten Zusammenschlusses, dass der Ausschluss vom Zahlungsverkehr sogar die humanitäre Hilfe behindert, während gleichzeitig die Hilfsgelder für Afghanistan im Zuge des Ukrainekrieges und westlicher Wirtschaftsblockaden gegen Russland drastisch zurückgingen und die Preise für Hilfsgüter dramatisch anstiegen. Und dies in einer Notsituation, in der 24 der 40 Millionen Menschen im Land völlig darauf angewiesen und acht Millionen bereits einer Hungersnot ausgesetzt sind. Wie immer sind Frauen und Kinder besonders betroffen. Laut UN-Kinderhilfswerk UNICEF sind über eine Million Kinder schon so unterernährt, dass sie medizinisch behandelt werden müssten. Doch auch das Gesundheitssystem ist kollabiert.
„Ich habe noch nie eine Krise erlebt, die so schnell und in einem solchen Ausmaß eskaliert ist, wie die in Afghanistan“, stellt der Chef des Welternährungsprogramm fest. Hier herrsche nun die „Hölle auf Erden“. „Hunger und Elend“ könnten nun „mehr Afghanen töten als alle Bomben und Kugeln der letzten zwei Jahrzehnte“, befürchtet die International Crisis Group.
Hier zeige sich besonders deutlich der Widersinn der westlichen Sanktionspolitik, so das Friedensbündnis. Zweifelsohne verstößt die Politik der Taliban eklatant gegen Menschenrechte. Aber offensichtlich kann man mit Wirtschaftsblockaden keine Änderung erzwingen, sondern lässt besonders die leiden, die man angeblich schützen will. Wirtschaftssanktionen sind selbst massive Menschenrechtsverletzungen, die Menschenleben kosten. Zudem sind sie im Falle Afghanistan offensichtlich auch die Fortsetzung des verlorenen Krieges.
Die im Bundesausschuss Friedensratschlag vertretenen Gruppierungen wenden sich entschieden gegen die Politik von Außenministerin Baerbock, die selbst humanitäre Hilfen für Afghanistan von der Einhaltung von Frauenrechten abhängig machen will, und protestieren gegen die Senkung des deutschen Beitrags von bereits mickrigen 330 Millionen Euro im letzten Jahr auf 39 Millionen in diesem.
Sie fordern die Bundesregierung und die Regierungen der übrigen NATO-Staaten auf, ihre Embargomaßnahmen unverzüglich zu beenden und die afghanischen Gelder auf westlichen Konten freizugeben.
Sie dürfen Afghaninnen und Afghanen nicht weiter zur Geisel ihrer Politik machen, sondern müssen ihrer Verantwortung für das durch zwanzig Jahr Krieg und Besatzungspolitik angerichtete Desaster gerecht werden: d.h. Wiedergutmachung leisten für die Opfer des Krieges und die angerichteten Schäden, sowie umfassende Hilfe für den Wiederaufbau.