Trauerrede für Willi Hoffmeister
von Willi van Ooyen – bei der Trauerfeier am 18. August 2021 in Dortmund
Liebe Hannelore, liebe Erika Ernstmeier, liebe Verwandte von Willi,
liebe Mitstreiterinnen für eine friedliche und bessere Welt.
Wir alle sind uns schon bei den verschiedensten Demonstrationen, bei unterschiedlichsten Aktionen begegnet und hätten dies auch lieber weiterhin mit Willi getan, anstatt jetzt von ihm Abschied nehmen zu müssen.
Willi war ein Motor der Friedensbewegung: klug analysierend, inhaltlich knapp und klar formulierend, mit unglaublicher Bescheidenheit vermittelnd, um die gemeinsame Sache entschieden umzusetzen. So kannten wir ihn.
Mein erstes Erlebnis mit Willi war ohne uns zu kennen – meine erste Teilnahme am Ostermarsch 1965 in Dortmund. Bei den Ostermärschen war Willi seit 1961 immer dabei. Wir wussten nichts voneinander, waren nur bei derselben Demonstration. Aber die Kontakte – vor allem zu damals noch illegalen Kommunisten – nahmen zu und denen verdanke ich meine Politisierung – Kriegsdienstverweigerung – Zivildienst – Selbstorganisation der Zivildienstleistenden – Bundeszentrale in Düsseldorf und den ersten Streik der ZdLer im April 1971.
Es war eine allgemeine Aufbruchstimmung für linke, fortschrittliche und Internationalistische Positionen, die für unsere Aktionen immer größeren Zulauf brachten. Willi war damals überzeugt, dass der „Kalte Krieg“ überwunden werden musste. Sein Bekenntnis zu den Menschen in der Sowjetunion und später zu Russland unterstreichen seine vielen Flußreisen auf Wolga und Dnjepr und die Begegnungen mit Menschen in vielen Ländern. Auch von Marathon in Griechenland erzählte er uns oft.
Viele internationale Ereignisse und Kämpfe forderten Solidarität und Protest: Kuba, Chile 1973, der Vietnamkrieg und die Befreiung am 1. Mai 1975, die Befreiungsbewegungen in vielen Regionen der Welt. Aber es war nicht nur die Friedensarbeit, bei der Willi anzutreffen war. Als 1972 Willy Brandt den Radikalenerlass erlies, war er solidarisch bei vielen Aktionen gegen die Berufsverbote dabei. Und dies alles neben seiner eigentlichen Arbeit als Vertrauensmann der IG Metall und späterer Betriebsratsvorsitzender in der Hoesch AG.
Unsere erste persönliche Begegnung war im September 1974 beim UZ-Pressefest (ich war für die Elektrifizierung des Hessenzeltes – als gelernter Elektriker – verantwortlich) und wir trafen uns zu nächtlicher Stunde im „Flöz Sonnenschein“. Ich erinnere mich an viele heitere Stunden und nachdenkliche Gespräche.
Unsere engere Zusammenarbeit stand im Zusammenhang mit dem Krefelder Appell. Nach der Tagung am 15. November 1980 in Krefeld, die dem Appell den Namen gab, entstanden in allen Regionen der Republik örtliche und regionale Friedensforen; auch in Dortmund. Damals war ich Geschäftsführer der Deutschen Friedensunion und verantwortlich für das fortschrittliche Bürgertum – also den Niemöllers, Ridders, den Pfarrern und Professoren halt; und nicht zuständig für die Arbeiterklasse. Wir bereiteten solche Friedensforen bundesweit vor, das Dortmunder war dann im Herbst 1981 als eines der ersten großen, dezentralen Foren in der Republik. Namen wie Petra Kelly, Gert Bastian, Uta Ranke Heinemann, Christoph Strässer, Josef Weber will ich hierzu erwähnen.
Diese Treffen bei den „Krefeldern“ waren vertrauensbildend, förderten die Freundschaft und sie hatten Folgen: die Ostermärsche, die zu großen Massenveranstaltungen wurden – auch hier in Dortmund, die Mobilisierung für die Großveranstaltungen in der Dortmunder Westfalenhalle, im Ruhrstadion in Bochum, bei den großen Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten.
Immer ging es Willi dabei auch um inhaltliche Vermittlung von Zusammenhängen von Krieg, Rüstung und sozialer Ungerechtigkeit. Seine marxistische Grundüberzeugung gab ihm bei den Aufrufdiskussionen immer eine klare Linie vor und gleichzeitig war seine Geduld wesentlich beim Zusammenführen unterschiedlichster Positionen.
Aber es gab ja nicht nur den Aufbruch zu immer neuen Großveranstaltungen, sondern auch die Mühen der Ebenen. Diese nutze Willi gemeinsam mit Kolleginnen der IG Metall, der DKP und vielen Freundinnen und Freunden, um unsere Sache weiter voranzubringen. Die vielen betrieblichen Friedensinitiativen waren wichtige Ideenbörsen bei der Konversionsfrage „was muss – was kann sinnvolles (außer der Kriegsproduktion) hergestellt werden. Die Debatte um „Regionale Wirtschaftskreisläufe“ und die Konversion waren auf einem Stand, den wir noch nicht wieder erreicht haben.
Nach dem Kohlschen Satz (1984): „Die demonstrieren – wir regieren“, wurde die von Schmidt geforderte Pershing-Aufstellung in unserem Land durchgesetzt. Das Wettrüsten, vor dem die Friedensbewegung immer gewarnt hatte, wurde weiter angeheizt. Dennoch wurden die Ostermärsche fortgesetzt, der Friedenskalender war in jedem Jahr voll: 8. Mai, Hiroshima, Antikriegstag, …und 1987 kam es zum INF-Vertrag über die Atomwaffen.
Durch die Kontinuität der Arbeit und sicherlich auch durch Willis Zähigkeit angetrieben, gab es immer auch größere Aktionen der Friedensbewegung, die sich mit seinem Namen verbinden. In diesen Jahren wurde das gesellschaftliche Bewusstsein in unserem Land friedenspolitisch geprägt. Willi formulierte es so: „Die Aufklärungsarbeit der Friedensbewegung hat dazu beigetragen, dass die einst so militaristische deutsche Bevölkerung heute mehrheitlich den Krieg ablehnt.“
Für uns alle waren der Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Fall der Mauer ein dramatischer Einschnitt, den wir nur schwer verdauen konnten. Dennoch half Willi aus der Not eine Tugend zu machen und half mit, das Zusammengehen der Friedenskräfte in Ost und West mit zu organisieren. Es wurden mit dem Friedensrat gemeinsame (Thüringer) Seminare organisiert. Das wichtigste fand im Frühjahr 1994 in Gräfenroda statt, bei dem der erste bundesweite Friedensratschlag, der dann im November des gleichen Jahres in Kassel stattfand, vereinbart.
Es gab viele Stationen an denen wir gemeinsam demonstrierten. Ich will an den 2. Golfkrieg im Jahre 1991 erinnern, da drängten noch Sozialdemokraten und Grüne auf die Kundgebungsbühnen. An den verbrecherischen Krieg gegen Jugoslawien will ich erinnern, den Rot/Grün zu verantworten hat. An den Irak-Krieg und natürlich an Afghanistan.
Regelmäßig war Willi bei den Treffen des Bundesausschusses in Kassel. Dann kam die Corona-Zeit und die Begegnungen wurden selten oder virtuell. Willi fehlte.
Ich bin dankbar, dass ich einen Abschnitt seines intensiven und prall gefüllten Lebens begleiten durfte. Ich habe von ihm viel gelernt.
Willis Wirken, seine Einfühlsamkeit und Beständigkeit hat zur Schaffung von Strukturen beigetragen, die weiterhin Bestand haben werden.
Die Erinnerung an einen tapferen, klugen und kämpferischen Menschen wird uns allen bleiben.