„So machen wir das“ – Nachruf auf Horst Trapp
„So machen wir das.“ – Nachruf auf Horst Trapp
von Karl-Heinz Peil und Willi van Ooyen
Es sind nicht immer die im Vordergrund stehenden Einzelpersonen, die für Bewegung und zielgerichtetes Handeln sorgen. Das gilt im besonderen Maße auch für die deutsche Friedensbewegung. Wenn es eine Person gibt, die hier einzigartiges geleistet hat, dann ist es Horst Trapp.
Nur in den Anfangsjahren seiner politischen Tätigkeit stand er an erster Stelle.
Geboren am 27.4.1935 erlebte er noch in Frankfurt die ideologische Indoktrination des Nazi-Regimes im jugendlichen Alter und die Schrecken des Krieges mit US-Panzern im Kampfeinsatz vor seiner Haustür im Stadteil Rödelheim.
Nach Schule und Lehrausbildung als Feinmechaniker engagierte er sich bereits früh innerhalb der SPD und den Jungsozialisten. Bei der IG Metall Frankfurt wurde er Jugendsekretär.
Ein Einschnitt war das Jahr 1959. Er zeichnete damals verantwortlich für einen offenen Brief an den damaligen SPD-Vorsitzenden Ollenhauer. Darin verurteilte er, dass die SPD der von ihr zusammen mit dem DGB maßgeblich initiierten Kampagne „Kampf dem Atomtod“ abgeschworen hatte und damit auch ein Bekenntnis zur Bundeswehr ablegte. Dieses führte zu seinem Ausschluss aus der SPD und auch zum Verlust seines Arbeitsplatzes bei der IG Metall.
1960 war er maßgeblich mitbeteiligt an der Gründung der Deutschen Friedensunion, an deren Spitze bekannte Persönlichkeiten standen, mit Horst in der zweiten Reihe. Die DFU war dann auch sein Wirkungskreis bis 1989, teilweise in Frankfurt und überwiegend in Köln. In dieser Zeit ging es immer darum, friedenspolitische Bündnisse zu schmieden. In den damaligen Zeiten des Kalten Krieges mit den scharfen ideologischen Gegensätzen war dieses kein leichtes Unterfangen. Doch die erstmals 1960 erfolgten Ostermärsche in Deutschland zeigten, dass dieses über bestehende Grenzen hinweg möglich war.
Ende 1974 war er als Vorstandsmitglied der DFU maßgeblich beteiligt an der Gründung des Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KOFAZ). Die Liste prominenter Unterstützer war lang und präsentierte eine gewaltige gesellschaftliche Breite. Die damit verbundenen organisatorische Arbeit war für Horst sehr umfangreich. In der Anfangszeit des KOFAZ bedurfte es auch einer Festlegung dessen, was man heute als „Corporate Identity“ bezeichnet. Dass hierbei die von Picasso eingeführte Friedenstaube als Motiv zugrunde gelegt werden sollte, war wohl unstrittig. Dass die vom Grafiker in einer Arbeitssitzung präsentierte Zeichnung einen Zacken im Gefieder der Taube enthielt, war wohl nicht beabsichtigt, sondern nur einem Zufall geschuldet. Horst erzählte diese Episode vor einigen Jahren auch nur, nachdem er von einem Journalisten des Nachrichtenmagazins Focus mal dazu befragt wurde und uns gegenüber über dieses spezielle Interesse von außenstehender Seite äußerte.
Was jedoch heute bei Firmen und anderen Institutionen nur der Auftakt einer längeren Debatte gewesen wäre, wurde dort aber sehr schnell entschieden. Wahrscheinlich waren es die Worte von Horst, die auch in den Jahrzehnten danach immer wieder von ihm zu hören waren: „So machen wir das.“ Dieser einfache Satz war kennzeichnend für seinen Pragmatismus und sein Gespür für zielorientierte Debatten. Vielleicht war es einfach nur die gedankliche Fortsetzung dessen, was er in seinem Beruf als Feinmechaniker gelernt hatte, nämlich schnell zu klären, wie ein Ding gemacht wird, um dann an die handwerkliche Arbeit zu gehen. Eine bloß schriftliche Wiedergabe dieses Satzes kann allerdings nicht verständlich machen, wie dieses kommunikativ bei uns wirkte. Was bei diesem Satz in bestimmten Zusammenhängen auch ein autoritäres Gehabe sein könnte, war bei Horst eine kommunikative Meisterleistung. Er war stets ein guter Zuhörer und profilierte sich nie als Wortführer einer Diskussion. Sein Stärke in Debatten bestand vielmehr in gezielten Einwürfen mit Reflexionen auf frühere Erfahrungen, die bei ihm reichlich vorhanden waren. Der Satz „So machen wir das.“ war dann die charmante und durchweg antiautoritäre Intervention, dass jetzt kein weiterer Diskussionsbedarf mehr bestehe. Das hieß gedanklich etwa: Wir setzen jetzt mal einen Punkt (ohne Ausrufungszeichen).
Dazu passend zu dieser Eigenschaft war bei ihm aus, einen wachen Blick darauf zu haben, wie denn bei Bündniskonstellationen andere Beteiligte so „ticken“. War dieses in der Arbeit mit vielen Pfarrern bei der DFU und im KOFAZ für ihn sicherlich irgendwann sehr routiniert, so gab es Ende 1980 für ihn im Hintergrund eine neue Herausforderung. Das Zustandekommen des Krefelder Appells mit Gert Bastian als noch aktiver Bundeswehrgeneral an der Spitze erwies sich als geschichtsträchtig. Dieses kam nach seinen Worten nur durch einen scheinbar einfachen Kompromiss zustande, nämlich die Reduzierung eines längeren Aufruftextes für den Gründungskongress im Krefelder Seidenweberhaus. Dieser Text war – wie auch heute noch in der Friedensbewegung üblich – eine politische Analyse, die dazu geeignet war, einen breiten Konsens anhand von Einzelformulierungen zu verhindern. Horst hat in der jüngsten Vergangenheit wiederholt – auch anlässlich einer Veranstaltung zum 40. Jahrestag des Krefelder Appells am 15.11.2020 darauf hingewiesen, dass nur durch die textliche Reduzierung auf einen einfachen Appell an die Bundesregierung die damit initiierte Unterschriftenaktion erfolgreich gestartet werden konnte. Die Überschrift „Der Atomtod bedroht uns alle – keine neuen Atomraketen in Europa!“ hatte unverkennbar die Handschrift von Horst, war er doch derjenige in der organisatorischen Vorbereitung der Krefelder Initiative, der sich politisch in den 50er Jahren mit der Kampagne „Kampf dem Atomtod!“ entwickelt und bis zuletzt für diese von oben abgewürgte Kampagne gekämpft hatte.
Die Zeit nach der Wende 1989 brachte wiederum neue Herausforderungen. Bis dahin hatte es zwar häufige Kontakte in die DDR gegeben, jedoch ging es jetzt darum, mit ostdeutschen Friedensbewegten eine damals sich bereits abzeichnende Skepsis gegenüber der viel beschworenen Friedensdividende aufzugreifen und einen grundlegenden Politikwechsel zu fordern. Als regelmäßiger Begegnungsort für eine Ost-West-Austausch wurde damals Kassel ausgewählt. Am ersten Dezemberwochenende 1994 fand dieses erstmals als Bundesweiter Friedensratschlag statt. Anlässlich des 25. bundesweiten Friedensratschlages am 30.11.2018 wurde dieser Werdegang von Horst noch mal dargestellt. In seinem Redebeitrag finden sich Sätze wie diese:
„Die Gefahr eines Atomkrieges wächst wieder. Die Waffen werden modernisiert. Ein Atomkrieg soll siegreich geführt werden können. Unsere alte Losung, wonach im Atomkrieg nur der Tod siegt, hat wieder Gültigkeit.“ ….
„Wir glauben nicht, dass im Kreml lauter Waisenknaben sitzen. Aber ein Land, das ringsherum von der NATO belagert wird, sieht sich gefährdet.“
„Deutschland müsse Verantwortung übernehmen. Das ist die große Kriegslüge unserer Zeit. Verantwortung ja. Aber für Frieden und Abrüstung. Das ist die Aufgabe einer Regierung, deren Vorgänger die Welt mit Krieg und Vernichtung überzogen hat. Vom Pentagon ist Frieden nicht zu erwarten. Das lässt sich allenfalls durch die Gefahr des eigenen Untergangs abschrecken. Friedenspläne Fehlanzeige. Kriegführungspläne immer. Auf uns, die friedensbewegten Menschen kommen weitere schwere Aufgaben zu. Deshalb Antworten wir auf die Frage, was wir bisher erreicht haben. Die Ablehnung von Krieg und Gewalt in unserer Bevölkerung ist Ergebnis unseres Wirkens. Daran müssen wir weiter arbeiten, damit sich der Militarismus nicht in den Köpfen festsetzt.“
Bis in die jüngste Zeit war Horst für uns ein gefragter Mentor, der mit seiner politischen Lebenserfahrung, aber auch mit seiner persönlichen Zurückhaltung zu überzeugen wusste. Sein typischer Schlusssatz bei Beratungsgesprächen mit „So machen wir das“ bleibt für uns sein geistiges Vermächtnis und die gezackte Friedenstaube seine materielle Präsenz.
(zuletzt editiert: 23.7. – KP)