Rede bei der Trauerfeier für Horst Trapp
von Willi van Ooyen, 5.8.2022
Liebe Sabine, liebe Anverwandte,
liebe Mitstreiterinnen für eine friedliche und bessere Welt.
Wir alle haben uns schon auf den verschiedensten Demonstrationen, bei unterschiedlichsten Veranstaltungen getroffen und hätten dies auch lieber mit Horst weiterhin getan, anstatt von ihm jetzt Abschied zu nehmen.
Horst war ein Motor der Friedensbewegung: klug analysierend, inhaltlich präzise formulierend, pädagogisch vermittelnd, um es entschieden umzusetzen. So kannten wir ihn.
Zu seinem 10. Geburtstag endete der II. Weltkrieg. Seine erste Handlung zur Entmilitarisierung war die Entsorgung der väterlichen Waffen, die er in die Rödelheimer Nidda warf. Anlass für die Entscheidung war sicherlich, den drohenden Strafen durch die amerikanische Militärverwaltung zu entgehen, falls die Waffen in der Wohnung der Trapps in Rödelheim gefunden würden.
Seine Kindheit verbrachte er als Schüler in Rödelheim – zu seinen Schulkollegen hielt er auch mit jährlichen Treffen in der jüngsten Zeit noch Kontakt. Auch aus seiner sportlichen Zeit als Handballer in Rödelheim bestanden lange persönliche Kontakte. Mit 17 begann er seine Feinmechaniker-Lehre bei Samson und trat am ersten Ausbildungstag – angesprochen von einem kommunistischen Betriebsrat – in die IG Metall ein.
Seine Jugendzeit war geprägt vom poltischen Widerstand gegen die Remilitarisierung (immerhin war Deutschland von 1945 bis 1954 ein neutrales Land) und dem Kampf gegen die Restauration und wiederbelebten Faschismus.
Er trat 1956 der SPD bei und bald wurde er auch Vorsitzender der Frankfurter Jusos. Er organisierte internen Widerstand gegen das Godesberger Programm von 1959 der SPD, dass sich für Militär und Kalten Krieg entschieden hatte. Es war die Zeit des politischen Lernens.
Mit erfahrenen Antifaschisten und internationalen Friedensaktivisten organisierte er Schulungskurse und internationale Jugend-Begegnungen – so auch mit algerischen Freiheitskämpfern – aber auch Karnevalsveranstaltungen im Frankfurter Gewerkschaftshaus.
Die Niederlage der „Ohne mich“ Bewegung gegen die Remilitarisierung, das Verbot der“ Volksbefragung gegen die Wiederaufrüstung“, empfand Horst als einen ersten politischen Rückschlag. Er zog daraus den Schluss, dass es immer wieder die Gefahr von Niederlagen und Rückschlägen im politischen Kampf geben werde, wenn die herrschende Klasse um ihre Herrschaft fürchten muss.
1958 wurde er Jugendsekretär der IG Metall in Frankfurt ihn. Seit 1961 mobilisierte er die jährlichen Ostermärsche. Weil er seine politische Überzeugung „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ nicht aufgeben wollte, schloss die SPD ihn wegen seines friedenspolitischen Engagements 1959 aus und auch die IG Metall entließ ihn 1961 als Jugendsekretär. Der Protest des IG Metall-Jugendausschusses konnte das nicht verhindern.
Viele Freunde und Genossen von Horst, wurden wegen ihres Engagements für Frieden, gegen die massive Restauration und den wachsenden Einfluss alter und neuer Nazis deshalb (manche wieder) ins Gefängnis gesteckt. Die Zeit nach den Verboten der FDJ (1951) und der KPD (1956) machten neue Formen des Widerstandes gegen Kalten Krieg, Militarisierung und Antikommunismus erforderlich. Diese Verbote zwangen neue Bündnis und Aktionszusammenhänge zu entwickeln. Horst beteiligte sich an der Gründung alternativer Frankfurter Kommunal -Bündnisse und Zeitungen.
Die Gründung der Deutschen Friedens-Union im Jahre 1960 begleitete er wohlwollend und wurde bald ein wichtiger Mitstreiter der neuen Friedens-Partei. Mit Persönlichkeiten wie Albert Schweizer, Renate Riemeck, Karl Graf von Westfalen aber auch mit Unterstützung von Kommunisten wurde an die aufkommende Stimmung gegen Kalten Krieg und atomare Rüstung zu einer Alternative von CDU, FDP und SPD aufgerufen. Besonders in kirchlichen Kreisen wurden die ersten Ansätzen für eine Verständigungs- und Entspannungspolitik und für die Anerkennung der DDR aufgegriffen.
Die Arbeit in all diesen Jahren war für Horst mit dem „Kampf gegen den Atomtod“ verbunden. Vom Stockholmer Appell über die Paulskirchen-Veranstaltung bis zum Krefelder Appell in den frühen 80er Jahren prägte der drohende Atomkrieg seine Aktivitäten.
Horst erzählte immer wieder von den politischen Beschimpfungen, Nachstellungen und Angriffen bei den öffentlichen Aktionen gegen Krieg und Aufrüstung.
Aber auch von Jugoslawien-Urlauben mit Ellen Weber; Horst erinnerte sich noch in den letzten Wochen beim „Kroaten“ an erholsame Urlaubstage; aber auch an Sylt – wohin er immer zu seinem Geburtstag floh, um den heimischen Feierlichkeiten zu entgehen.
Ich kannte Horst schon seit Ende der 1960er Jahre. Damals leistete ich bei der Arbeiterwohlfahrt in Düsseldorf meinen Zivildienst und betrieb nebenher die Bundeszentrale der „Selbstorganisation der Zivildienstleistenden“. Mit Freunden wie Klaus Mannhardt trafen wir uns bei bündnispolitischen Veranstaltungen und häufig mit Horst als Redner.
Als ich 1972 nach Frankfurt zog – um hier eine Familie zu gründen und zu studieren, trafen wir uns häufiger bei Veranstaltungen (Stichworte: Vietnam, Chile, Portugal,…). An die große Demonstration anlässlich des 30. Jahrestages der „Befreiung“ am 8. Mai 1975 auf dem Frankfurter Römerberg mit Beteiligung von Menschen aus allen europäischen Ländern erinnere ich mich. Es war eine Aufbruchstimmung spürbar, die Frieden, internationale Kooperation und soziale Gerechtigkeit grenzüberschreitend einforderte. Gleichzeitig wurde der Druck auf aktive Kommunisten und Linke durch die praktizierten Berufsverbote verstärkt. Um ein Beispiel zu nennen: Weil er bei der 8. Mai-Demonstration in Frankfurt als Redner auftrat, wurde der JUSO-Vorsitzende, Uwe Benneter, aus der SPD ausgeschlossen.
Unsere engere Beziehung begann im September 1976. Ich hatte gerade meine mündliche Prüfung an der Frankfurter Universität bestanden, als ich erleichtert über die Bockenheimer Landstr. schlenderte und Horst mir begegnete. Er sprach mich an und fragte, ob ich nicht mit ihm zusammen bei der DFU arbeiten wollte. Die Aussichten für mich in Hessen Lehrer zu werden, waren nicht sehr groß und ich sagte ihm nach einigen Tagen des Überlegens zu und wir arbeiteten ab Oktober 1976 zusammen: er in Köln und ich in Frankfurt (in der Lersner Str.) Am Wochenende trafen wir uns häufig bei irgendwelchen Veranstaltungen oder Aktionen.
Die atomare Gefahr nahm durch die immer aggressivere NATO-Strategie und die Option des atomaren Erstschlages zu. Die Kriegsgefahr wurde durch die atomare Teilhabe und die Bereitschaft der Bundesregierung unter Helmut Schmidt neue Atomwaffen in der Bundesrepublik (Pershing II und Cruise Missiles) zu stationieren, für die Menschen im Land zu einer fühlbaren Bedrohung. Dagegen den Widerstand zu organisieren, sah Horst als seine Aufgabe.
Ich erinnere mich an viele Gespräche innerhalb der DFU und mit vielen Bündnispartnern in allen Regionen des Landes, um das Nein zur Stationierung der neuen Raketen unüberhörbar zu machen. Horst war der Motor der Kampagne, die nach einem Jahr der Vorbereitung mit dem Forum in Krefeld und dem dort veröffentlichten Krefelder Appell den Anstoß für vier Millionen Unterschriften und Hunderten Veranstaltungen und Demonstrationen lieferte. Ich will an die Dortmunder Westfalenhalle und das große Spektakel im Ruhrstadion in Bochum erinnern. Auch die wissenschaftliche Aufklärung mit Tausenden Teilnehmerinnen auf dem Domplatz in Mainz fällt mir ein. Namen wie Petra Kelly, Gert Bastian, Uta Ranke Heinemann, Christoph Strässer, Josef Weber will ich erwähnen.
Die Friedensbereitschaft der Bevölkerung wurde von betrieblichen Friedensinitiativen, von Künstlern und Sportlern, von Wissenschaftlern, die sich im Zusammenhang mit den „Krefeldern“ zusammenfanden unterstützt.
Dies alles führte aber auch zu vielfältigen Angriffen – auch aus SPD und Gewerkschaften. Horst ergriff die Initiative, um die Kampagne gegen die Stationierung auf einen Satz zusammenzufassen und den Kritikern den Wind aus den aufgeblähten Segeln zu nehmen. Unterschrieben wurde: „Ich schließe mich dem Krefelder Appell an die Bundesregierung an, die Zustimmung zur Stationierung von Pershing II-Raketen und Marschflugkörpern in Mitteleuropa zurückzuziehen“ – und das Millionenfach.
Die Friedensbewegung erlebte in den frühen 80er Jahren einen nicht gekannten Aufbruch: die Ostermärsche wurden reaktiviert, Großdemonstrationen in Bonn, Menschenketten in Ulm, Blockaden der Stationierungsorte – auch in Pershing-Hausen hier in Frankfurt. Flächendeckend entstanden regionale Friedensforen, die noch heute ein Rückgrat der Friedensbewegung bilden.
Nach dem Kohlschen Satz (1984): „Die demonstrieren – wir regieren“ wurde die von Schmidt geforderte Pershing-Aufstellung in unserem Land durchgesetzt. Das Wettrüsten, vor dem die Friedensbewegung immer gewarnt hatte, wurde weiter angeheizt. Dennoch wurden die Ostermärsche fortgesetzt, der Friedenskalender war in jedem Jahr voll: 8. Mai, Hiroshima, Antikriegstag, …
Seit ihrer Gründung im Jahre 1960 hatte sich die Rolle der DFU verändert. Es gab inzwischen eine legale Kommunistische Partei und die DFU hatte sich zu einer lebendigen vielfältigen Bündnisorganisation entwickelt. Wir fühlten uns verantwortlich für das fortschrittliche Bürgertum – also den Niemöllers, Ridders, den Pfarrern und Professoren halt. (Nicht für die Arbeiterklasse zuständig). Ein Unionstag – so hieß unser Parteitag – beschloss den Status als Partei aufzulösen und eine „sonstige politische Vereinigung“ zu werden.
Aber es gab auch immer neue bündnispolitische Ansätze und verschiedene Wahlbündnisse. Zum Beispiel zu den Europaparlamentswahlen im Juni 1984 kandidierte die „Friedensliste“. Horst war einer der Bundessprecher. Die Friedensliste erreichte 1,3 % der Wählerstimmen. Dafür überwies der Bundestagspräsident Rainer Barzel der Friedensliste auf das Privatkonto von Horst Trapp 1,2 Millionen DM. Horst war also zeitweise Millionär.
Das Geld wurde aber wie wir es im Wahlkampf versprochen hatten, in einen Hubschrauber (übrigens auf Drängen von Uta Ranke Heinemann unbewaffnet) für Nicaragua investiert, den Karl-Heinz Hansen in Managua übergab. Die „Friedensliste“ endete nach einem gerichtlichen Verfahren, das Manfred Coppik für Horst ausfocht, mit einer „gesunden“ Insolvenz. Als Restbesitz konnte lediglich ein Bürostuhl dem Bundestagspräsidenten übergeben werden.
Ich erinnere mich an viele lange Abende im Kölner Büro und manchmal beim Giovanni in Köln-Nippes, wo wir zusammensaßen und die italienische Küche genossen. Es waren dennoch stressige Zeiten, in denen wir in Sachen Weltfrieden unterwegs waren.
Durch die Kontinuität der Arbeit und sicherlich auch durch Horst‘s Zähigkeit angetrieben, gab es immer auch größere Aktionen der Friedensbewegung, die sich mit seinem Namen verbinden. Immer ging es Horst dabei auch um inhaltliche Vermittlung von Zusammenhängen von Krieg, Rüstung und sozialer Ungerechtigkeit. Seine marxistische Grundüberzeugung wurde bei den Aufrufdiskussionen immer deutlich.
In diesen Jahren wurde das gesellschaftliche Bewusstsein in unserem Land friedenspolitisch geprägt. Horst formulierte es so: „Die Aufklärungsarbeit der Friedensbewegung hat dazu beigetragen, dass die einst so militaristische deutsche Bevölkerung heute mehrheitlich den Krieg ablehnt.“
Aber wie gesagt, es gab auch Niederlagen. Dank einer realistischen Analyse kamen wir – Horst, Heinz Dreibrodt, und ich – nach einem Besuch Anfang Oktober 1989 bei unseren Freunden in Ost-Berlin zu der Überzeugung, dass die DFU so nicht weiterbestehen konnte. Wir informierten im November 1989 unsere Mitarbeiterinnen und kündigten allen fristgerecht. Die Zeit, die DFU ordnungsgemäß aufzulösen, haben wir nicht gefunden.
Für uns alle war der Zusammenbruch des „realen“ Sozialismus und der Fall der Mauer ein dramatischer Einschnitt, den wir nur schwer verdauen konnten. Dennoch war es Horst, der aus der Not eine Tugend machte und die Gelegenheit ergriff, das Zusammengehen der Friedenskräfte in Ost und West zu organisieren. Es wurden mit dem Friedensrat gemeinsame Seminare in Thüringen organisiert.
Das wichtigste fand im Frühjahr 1994 in Gräfenroda statt, bei dem der erste bundesweite Friedensratschlag, der dann im November des gleichen Jahres in Kassel stattfand, vereinbart wurde. Als organisatorische Basis für die künftige Arbeit wurde die Friedens- und Zukunftswerkstatt im Frankfurter Gewerkschaftshaus eingerichtet.
Es gab viele Stationen an denen wir gemeinsam demonstrierten. Ich will an den 2. Golfkrieg im Jahre 1991 erinnern, da drängten noch Sozialdemokraten und Grüne auf die Kundgebungsbühnen; an den verbrecherischen Krieg gegen Jugoslawien, den Rot/Grün zu verantworten hat. An den Irak-Krieg und natürlich an Afghanistan.
Die Brücken zu Grünen und sozialdemokratischen Politikern in Sachen Frieden brachen ab. Auch beim aktuellen Krieg in der Ukraine wunderte sich Horst nicht über die große Kriegsbereitschaft im Lande und erinnerte an die Kriege von 1914 und 1939/41 als auch Sozialdemokraten – trotz vieler früherer Friedensbekundungen zu den Waffen eilten.
Es gab für Horst auch einen beruflichen Neueinstieg. 1994, als Mitarbeiter der „Werkstatt Frankfurt“ half er mit, für über 1.000 Frankfurterinnen und Frankfurter sinnvolle Beschäftigung und Qualifizierung – besonders im Recyclingbereich – zu schaffen. Bei der Werkstatt war er an der „Entmilitarisierung“ des ehemaligen Bonameser Hubschrauberlandeplatzes beteiligt. Seine Beiträge über die Beschäftigungsförderung statt Finanzierung der Arbeitslosigkeit regten bundesweit die Debatte über den öffentlichen Beschäftigungssektor an. Mit der späteren Hartz-Gesetzgebung wurden solche sinnvollen Überlegungen Makulatur.
In dieser Zeit wurde auf Anregung von Wolfgang Schrank auch unsere Solidaritätsarbeit mit einer neuen Projektidee nämlich Biogas-Anlagen nach Cuba zu schaffen mit der Cooperacion InterRed aufgenommen. Die Initiative arbeitet nach wie vor erfolgreich und hat erst jüngst eine Solaranlage mit 150.000 kW-Leistung in Havanna installiert.
In Vorbereitung der Bundestagswahlen 1998 wurde Horst zum Mitorganisator der „Erfurter Erklärung“. Gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen war er mit der Initiative „Aufstehen für eine andere Politik“ mit bundesweiten Veranstaltungen und einer Großdemonstration am 20. Juni 1998 in Berlin für einen echten Politikwechsel aktiv.
Auch bei der neuen internationalen Sozialforums-Bewegung brachte er seine Ideen und Vorstellungen für Frieden und soziale Gerechtigkeit ein. Bei den Deutschen (in Erfurt und Cottbus) und Hessischen Sozialforen (ab 2004 gegen den Koch’schen Sozialabbau) saß er mit in den Vorbereitungsrunden; aber auch bei der „Sozialpolitischen Offensive“.
Als sich die LINKE in Hessen neuformierte und die unterschiedlichen Quellparteien (PDS und WASG) auch programmatisch zusammenfinden sollten, gründete er mit Freunden und Genossen den „Beirat zur Unterstützung der LINKEN in Hessen“. Die klare und programmatisch fundierte Position der Hessischen Linken wurde durch viele Beratungen und Veranstaltungen mit Menschen, die ich auch heute hier wiedersehe, gemeinsam entwickelt.
Es ist hier nicht der Platz weiter in die Details seiner Initiativen und Denkanstöße einzusteigen. Aber seine Mitwirkung an der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ will ich wenigstens erwähnen.
Das Wirken von Horst, seine Einfühlsamkeit und Beständigkeit hat zur Schaffung von Strukturen beigetragen, die weiterhin Bestand haben werden. Sein Klassenbewusstsein hat auch mich geformt.
Die Erinnerung an einen tapferen, klugen und kämpferischen Menschen wird uns allen bleiben.
vielen Dank